Bibliothek

Recht, Staat und Revolution

Seminarankündigung
Bibliothek
Foto: Peter Schere

Im kommenden Wintersemester 2025/26 werde ich ein Seminar zum Thema:

Recht, Staat und Revolution

anbieten.

Nähert man sich den Disziplinen der Rechtsphilosophie, Verfassungstheorie und Rechtsgeschichte über den analytischen Zugriff der Revolutionstheorien, so wird man auf grundlegende Strukturfragen von Staat, Gesellschaft und Politik gestoßen – eben diesen Blickwinkel einzunehmen, strebt das Seminar an.

So zentral bei diesen Betrachtungen die einschneidende Bedeutung der „Doppelrevolutionen“ der Neuzeit in den Amerikanischen Kolonien sowie in Frankreich im ausgehenden 18. Jahrhundert war, darf dabei der Blick auf die lange Begriffsgeschichte und den fundamental anderen Bedeutungsgehalt der „Revolution“ in der vormodernen Zeit nicht abhanden kommen. Verstand man unter einer Revolution nämlich zunächst das höchst konservative Konzept einer „Rückkehr bzw. Zurückwälzung zum Alten“ – einer revolutio als das Gegenteil einer evolutio –, so wandelte sich dieses Verständnis im späten 18. Jahrhundert. „Revolutionen“ waren nunmehr die positive Errichtung einer Staatsordnung, verbunden mit dem damit erfolgenden Bruch mit dem bisherigen System unter Auswechslung der Legitimationsgrundlage staatlicher Herrschaft – Volkssouveränität statt Gottesgnadentum. Dieses Moment, welches unser heutiges Verständnis einer Revolution prägt, wurde etwa von Hannah Arendt emphatisch als Gründungsakt einer Republik stilisiert und mit „Natalität“ einer politischen Gemeinschaft auf einen Begriff gebracht: „Damit ein Anfang sei, wurde der Mensch geschaffen“ (Augustinus).

Mit diesem essenziellen Wechsel des Bedeutungsgehalts der Begriffe des Staatsrechts in der sog. „Sattelzeit“ (R. Koselleck) um das Jahr 1800 eröffnen sich für die rechtswissenschaftliche Betrachtung des Verhältnisses von „Recht, Staat und Revolution“ mannigfaltige Forschungsfragen. Im Seminar bieten sich Arbeiten zur Rechtsphilosophie wie Rechtsgeschichte an. Während der philosophische Zugriff etwa beim Verhältnis zwischen Naturrecht und Kodifizierung der Menschen- und Bürgerrechte ansetzen kann, stößt ein sozialphilosophischer Blick auf die theoretische Landschaft des 19. und 20. Jahrhunderts etwa auf die marxistische Revolutionstheorie, die nach der proletarischen Revolution das notwendige „Absterben des Staates“ wie des Rechts glaubt heraufziehen zu sehen.

Doch auch für das Interesse rechtshistorisch orientierter Studierender bietet das Seminar zahlreiche Anknüpfungspunkte: Speziell in der deutschen Geschichte, die Ereignisse der Jahre 1848/1849, die Revolution 1918/1919, ferner die dahingehend umstrittenen Etappen der Machtergreifung der Nationalsozialisten („legale“ resp. „nationale Revolution“) sowie schließlich die „Friedliche Revolution“ der Jahre 1989/1990.

Ferner (aber nicht abschließend) erlauben sich prospektive und philosophisch angereicherte Überlegungen zum Staatsaufbau: So sieht Hannah Arendt das legitimatorische Problem, dass spätere Generationen nicht länger die Erfahrung der revolutionären Generation teilen, als pouvoir constituant zu fungieren. Bis in unsere Zeiten gefühlter und vielleicht realer Absenz demokratischer Selbstwirksamkeit versuchen Konzepte deliberativer Demokratie, etwa in Form der Diskurstheorie des Rechts von Jürgen Habermas, hierauf auf eine institutionelle Antwort zu geben.

Die Veranstaltung ist als Blockseminar konzipiert. Zudem werden im Laufe des Semesters an einzelnen Terminen ausgewählte Primär- wie Sekundärtexte zum Seminarthema gelesen und diskutiert. Das Seminar ist sowohl als Übungs-, als auch als Examensseminar angedacht und ist offen für Studierende der Schwerpunkte 1, 4 und 6. Literaturhinweise, Terminfindung und thematische Orientierung erfolgen in einer Vorbesprechung, welche am 16. Oktober 2025 von 16-18 Uhr (Raum folgt) stattfindet.

Bei Interesse melden Sie sich bitte per E-Mail an die Adresse tim.niendorf@uni-jena.de sowie über Friedolin für die Veranstaltung an. Die Anmeldung für die Wissenschaftlichen Examensseminararbeiten muss bis zum 31. Juli 2025 erfolgen, die Anmeldung für Übungsseminararbeiten ist auch nach diesem Termin möglich. Studierende, welche planen, ihre Wissenschaftliche Examensseminararbeit in diesem Seminar zu erbringen, melden sich bitte zudem zum gleichnamigen Examensseminar auf Friedolin an.

Studierende, die ihre Wissenschaftliche Arbeit im Seminar schreiben, erhalten nach der An­mel­dung ein Formular, das ausgefüllt per E-Mail zusammen mit einer eingescannten Datei des Übungsseminarscheins zurückzuschicken ist. Melden sich zudem bitte in Friedolin sowohl für das Übungsseminar als auch das gleichnamige Examensseminar an.