Mündige, handlungs- und geschäftsfähige Menschen stehen im Mittelpunkt des Rechts. Sie setzen es ein, an sie ist es adressiert - Recht ist eine res humana. Dieses Idealbild scheitert oft: Personen, deren Handlungsfähigkeit beeinträchtigt ist, benötigen Schutz und Fürsorge auch mit rechtlichen Mitteln - und die Gemeinschaft bedarf nicht selten auch des Schutzes vor ihnen. Die Frage nach dem rechtlichen Umgang mit Personen, die infolge von Alter oder Krankheit nicht voll handlungsfähig sind, lassen sich entweder dem klassischen Zivil- oder Strafrecht oder dem spezielleren Querschnittsgebiet "Medizinrecht" zuweisen. Dabei ist meist schon fraglich, welche Eigenschaften eine Person so "imperfekt" erscheinen lassen, dass das Recht darauf eingehen muss. Rechtshistoriker/innen können anhand der Rechtsregeln, die auf die zeit- und kontextgebundenen Antworten auf diese Zentralfrage aufbauen, sehr unterschiedliche Beobachtungen machen und diese dafür verwenden, das geltende Recht besser zu verstehen oder es zu verändern.
Aus dem Erbrecht des BGB bearbeiten wir für den Nomos-Handkommentar das Pflichtteilsrecht und für den ZErb-Praxiskommentar das Nachlassverfahrensrecht. Im Familienrecht kümmern wir uns um das Abstammungsrecht für den BGB-Kommentar von Soergel. Die Ankernormen des materiellen Betreuungsrechts (§§ 1896, 1901, 1902, 1903 BGB) und weitere Vorschriften der §§ 1896-1908g BGB begleiten wir dauernd wissenschaftlich und im Zusammenhang für den Beck'schen Online Großkommentar zum BGB.
Darüber hinaus beschäftigt uns schwerpunktmäßig das Betreuungs- und Unterbringungsverfahrensrecht für den Münchener Kommentar zum FamFG. Hier geht es darum zu überprüfen, ob und wie das Verfahrensrecht dem Wohl betreuter Personen angemessen dient. Unsere Forschungen zum geltenden Medizinrecht konzentrieren sich auf die Bereiche Arzthaftungsrecht allgemein, Fortpflanzungsmedizin, Transplantationsmedizin, ärztliche Pflichten im Arztvertrag, auf die Abgrenzung des ärztlichen Standesrechtes vom allgemeinen öffentlichen und privaten Recht, auf die Probleme des Behandlungsabbruchs am Lebensende, der psychiatrischen Zwangsbehandlung und der Patientenverfügung.
Hinzu kommen - unter der Perspektive der juristischen Zeitgeschichte - Probleme der Eugenik, Hygiene und Sexualerziehung und -beratung mit rechtlichen Mitteln und des rechtlichen Umgangs mit psychischer Krankheit. Damit leisten wir auch einen Beitrag zur rechtshistorischen Totalitarismusforschung.
Themen der rechtsgeschichtlichen Forschungsarbeit sind das mittelalterliche und das frühneuzeitliche Privatrecht (v.a. anhand der Rechtsbücher - hier insbesondere des Sachsenspiegels und vorhandener Schöffen- und Gerichtsbücher), die juristische Zeitgeschichte mit einer besonderen Schwerpunktsetzung auf das Privatrecht der DDR und die Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz, insbesondere der Jenaer Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Zur rechtshistorischen Analyse des Rechts der DDR und zur Erhaltung und Systematisierung zahlreicher bislang noch nicht erschlossener Rechtsquellen besteht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Jena eine Forschungsstelle DDR-Recht. Wir fokussieren uns dabei darauf, das Recht der DDR möglichst aus sich heraus zu verstehen, zu beschreiben und zu analysieren. Dazu arbeiten wir mit deutschen und europäischen Rechtshistoriker/innen zusammen.
Sahann, Sigrid, Rechtsfragen ärztlichen Handelns im öffentlichen Fernverkehr im Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Österreich, Leipzig 2020
Osthold, Konrad B., Erben und Haftung, Plädoyer zur Reform der Erbenhaftung aus historisch-kritischer Perspektive unter Berücksichtigung dogmatischer und praktischer Aspekte, Bonn 2019
Ferdinand Lehmann, Der Befunderhebungsfehler in der gerichtlichen Praxis, Baden-Baden 2018
Tschersich, Roman, Die Definition des vermögensrechtlichen Missbrauchs von General- und Vorsorgevollmachten, Berlin 2015
Diener, Jens, Patientenverfügungen psychisch kranker Personen und fürsorglicher Zwang, Berlin 2013